Komm her, du freier Bürger der Welt, dessen Leben durch menschliche Moral geschützt und dessen Existenz durch Gesetz garantiert ist. Ich will dir erzählen, wie moderne Kriminelle und gemeine Banditen die Moral des Lebens verraten und die Grundsätze der Existenz aufgehoben haben.
Diese eindringlichen Worte von Zalman Gradowski, einem Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, begrüßen die Besucher der KZ-Gedenkstätte Auschwitz in der Baracke der Israelischen Ausstellung in Hebräisch, Polnisch, Jiddisch und Englisch. Sie laden uns ein, die Schrecken der Vergangenheit nicht zu vergessen und uns der Verantwortung bewusst zu sein, die wir für die Erinnerung an die Opfer tragen.
In diesem Geist begaben sich vom 03. bis 08. November ca. 40 SchülerInnen der Qualifikationsphase zusammen mit Frau Wagner, Herrn Schieweck und Herrn Schreiber auf eine Exkursion nach Auschwitz und Krakau. Ein Ziel dieser Exkursion war es, die SchülerInnen mit der dunklen Geschichte des Holocausts vertraut zu machen und ihnen die Bedeutung des Erinnerns näherzubringen.
Die Exkursion begann am Sonntagabend mit dem gemeinsamen Aufbruch per Bus. Nach fünfzehnstündiger Fahrt erreichte die Gruppe dann Montagmorgen ihr erstes Reiseziel: Oswiecim. Nachdem die Hotelzimmer bezogen und sich sowohl SchülerInnen als auch LehrerInnen von der langen Fahrt erholt hatten, stand das erste gemeinsame Mittagessen im Zentrum für Begegnung und Gebet an, bevor die SchülerInnen einstimmende Vorträge zur Geschichte Polens und Krakaus sowie das KZ-System und das heutige jüdische Leben in Polen hielten. Zudem wurden in kleineren Gruppen die Erwartungen und Befürchtungen angesichts des Besuchs des Stammlagers am folgenden Tag besprochen.
Der Dienstag begann dann im Stammlager Auschwitz I, wo die Gruppe unter der Leitung erfahrener Guides die schrecklichen Bedingungen, unter denen die Häftlinge lebten, erläutert bekam und ein erstes Gefühl für die beengten und lebensfeindlichen Verhältnisse im KZ erhielt. Die Führungen waren geprägt sowohl voninformativen Erläuterungen der Lagerabläufe als auchbewegenden Erzählungen über das Leid und das Unrecht, das den Menschen angetan wurde. Ein wichtiger Teil der Führung war auch der Besuch der Israelischen Ausstellung, die durch die Gedenkstätte Yad Vashem verantwortet wird, die den SchülerInnen einen umfassenden Einblick in die jüdische Geschichte und, etwa durch das raumfüllende „Buch der Namen“, einem Verzeichnis all derer, die im Holocaust umkamen,die Schrecken desselben bot.
Im Stammlager fanden, nach dem Mittagessen und einer Reflexion des Besuchs am Morgen, auch Workshops zu den Themen „Kinder in Auschwitz“ und „Österreich und Auschwitz“ statt. Diese interaktiven Sessions ermöglichten es den Jugendlichen, sich intensiv mit den Erfahrungen jüdischer Kinder während des Holocausts und den spezifischen Verstrickungen Österreichs auseinanderzusetzen. Die daran anschließenden Diskussionen waren von einer tiefen Sensibilität geprägt und boten Raum für Fragen zur Verantwortung und den Lehren, die aus der Geschichte gezogen werden müssen.
Im Anschluss an den Besuch von Auschwitz ging es am Mittwochmorgen ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Hier besichtigten die SchülerInnen unter anderem die Neue Judenrampe, das Mahnmal für die ca. 1,5 Millionen in Birkenau ermordeten Juden, die Überreste der gesprengten Gaskammern und Krematorien sowie die Kinderbaracke. Diese Orte waren eindringliche Mahnmale für das Leid der Opfer und verdeutlichten die erschütternden Schicksale der jüdischen Menschen, die in diesem Lager angekommen und umgekommen sind. Die Besichtigung dieser Stätten ließ die SchülerInnen die schrecklichen Dimensionen des Holocausts noch intensiver erleben und regte zu tiefen Überlegungen und Gesprächen an.
Mittwochnachmittag erfolgte dann der Umzug von Oswiecim nach Krakau. Den Nachmittag konnten die SchülerInnen damit verbringen die ehemalige Königs- und Hauptstadt Polens zu erkunden, sei es, indem sie die Geschäfte des Innenstadtrings erkundeten oder, indem sie den Wawel, Krakaus Burgberg, erklommen und sich dort einen Eindruck von der jahrhundertealtenGeschichte der Stadt verschafften.
Der Besuch des jüdischen Stadtteils Kazimierz wartete dann am Donnerstag mit der Besichtigung der Remuh-Synagoge und des anliegenden jüdischen Friedhofs auf, die nicht nur Zeugnisse des jüdischen Lebens in Polen sind, sondern auch Mahnmale für die verheerenden Folgen des Holocausts. So erinnert bis heute die Krakauer Klagemauer an die Schändung jüdischer Gräber durch die Nationalsozilisten.
Nach einer weiteren Möglichkeit Krakau zu erkunden, stand dann am Donnerstagnachmittag die Rückreise an. Nach dreizehn Stunden Fahrt, einem rekordverdächtigen Unterfangen, kamen die SchülerInnen dann am Freitagmorgen mit vielen neuen Eindrücken wieder in Kreuztal an.
Diese Exkursion war weit mehr als nur ein Besuch historischer Stätten; sie war ein bedeutender Schritt in der Bildung der SchülerInnen. Sie haben nicht nur Wissen über die Vergangenheit erlangt, sondern auch die Verantwortung für die Zukunft erkannt. Indem sie sich mit der Geschichte auseinandersetzen, tragen sie dazu bei, dass sich solche Gräueltaten nie wiederholen.
In einer Zeit, in der das Bewusstsein für die Schrecken des Holocausts oft verblasst, ist es von größter Bedeutung, dass junge Menschen die Möglichkeit haben, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen. Die Exkursion nach Auschwitz und Krakau wird den TeilnehmerInnen sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben und sie dazu inspirieren, aktiv für eine bessere Zukunft einzutreten.